Der Trägerverein von Radio Corax hatte zu einer Redaktionskonferenz mit Radioplenum eingeladen. Es gab einen Antrag auf Ausschluss der Sendung No Job FM aus dem Programm. Die Sendungsmacher sollten „antisemitische“ Stimmen zu Wort kommen lassen haben: Mike Nagler und Martin Lejeune.
In der Anklageschrift hieß es: „Die Inkludierung dieser beiden Personen wird als Verstoß gegen das Redaktionsstatut von Radio Corax interpretiert und betrifft folgenden Abschnitt:
„Diskriminierung von Personen oder Gruppen, wie Sexismus, Homophobie, Transphobie, Rassismus und Antisemitismus, sind aus Programm und Struktur des Radios auszuschließen. Dies gilt ebenso für jede Art von Chauvinismus, Nationalismus, religiösen Fundamentalismus und Gewaltverherrlichung. Die Ausschlussklausel gilt für alle Beiträge, Veröffentlichungen und Personen, die solche Verhältnisse oder Haltungen fördern oder vertreten.“
Nun ist No Job FM geradezu ein Urgestein freier Erwerbslosenarbeit, fast seit Treuhand-Zeiten. Die Sendung gerade jetzt „abzuschießen“, erschien mir zumindest exzentrisch – während die Berliner Ampel-Koalition den dringend notwendigen Inflationsausgleich für Bürgergeld-Empfänger zur Disposition stellt.
Ich hörte in die inkriminierten Sendungen hinein: der Herr Lejeune hatte wirklich eine „Pali-Schlagseite“, während der Herr Nagler die nötige Äquidistanz zu den CIA-Aktivitäten in Nahost aufbrachte. Viel interessanter war, was Mike Nagler von einem internationalen Kongress der sich erneuernden kommunistischen Bewegung berichtete. So etwas gibt es nirgendwo sonst zu hören!
Am Abend des Tribunals war Schmuddelwetter mit leichtem Nieselregen, aber man konnte auch online am Versammlungsgeschehen teilnehmen. Zuerst war Redaktionskonferenz: drei Sendungen mit überschaubarer Qualität stellten sich vor und bekamen ihre Sendeplätze. Dann war Pause. Das Ceranfeld meines Küchenherds brauchte dringend Pflege. Irgendwann ging es dann doch am Unterberg weiter.
Wer Antisemit ist, bestimmen wir!
Eine Anklägerin trat auf und rügte jegliche Kritik am Staatshandeln Israels als Antisemitismus. Besonders erregte sie, dass der Herr Lejeune die Berliner Polizei kritisiert hatte. Ja klar, hilf deiner Polizei, verprügele dich selbst! Dann folgten etwa eine Stunde Belehrungen auf linkssektiererischem Stammtischniveau über den Nahostkonflikt, wobei der Angeklagte nur 3x kurz zu Wort kam. Der Meinungskorridor schrumpfte auf Maobibel-Breite.
Bei der Kratzerei auf dem Ceranfeld war Schmutz zu Boden gefallen. Der Küchenfußboden freute sich, wieder einmal die Bekanntschaft mit Wischwasser zu machen. Bei der Säuberung am Unterberg ging es nun noch verbissener darum, jegliche Verdachtsgründe für Antisemitismus aufzuspüren. Ja klar, wenn jemand: „Follow the money!“ sagte, war das schon antisemitisch und wer „ReGIERung“ schrieb, der konnte doch nur ein Judenhasser sein! Ich wagte es, „Das Redaktionsstatut ist keine Zensuranweisung“ in den Chat zu schreiben.
„Warum eigentlich nicht?„, antwortete mir jemand von der Leipziger Transatlantifa. Das war die Frage, die uns trennte. Das erkennbar frierende Versammlungspublikum forderte immer ungeduldiger eine Abstimmung. Der Chefankläger ergriff das Wort und fasste zusammen: Die ad-hominem-Zuschreibung des Antisemitismus an die Herren Lejeune und Nagler rechtfertige die Totalzensur der Sendung No Job FM. Die Abstimmung ging mit einer 2/3-Mehrheit für die herrschende Cancel-Culture aus.
Einfach nur traurig! Zum Einschlafen gönnte ich mir ein Tässchen Glühwein aus dem Supermarkt, wünschte mich in die 90-er Jahre zurück und wusste doch: No Chance, No Job, No FM!
D. S.
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